Das Herz weiss, was weise ist

31.08.2017

Vor kurzem nahm ich an einer Tagung mit Führungskräften aus der ganzen Schweiz statt. Die meisten der Teilnehmenden waren ungefähr in meiner Generation, also fifty something. Beim Durckblicken der Stuhlreihen fiel mir auf, dass ich nun langsam aber sicher nun ebenso zu den langsam ergrauenden Häuptern mit einer stattlichen Zahl an Lebensjahren und hoffentlich auch Lebenserfahrung zähle. "Die Weisheit kommt mit dem Alter", eine Weisheit, die allseits anerkannt zu sein scheint. Doch was bedeutet "Weisheit" eigentlich? Hat dies mit "weiss" der Farbe des älteren Haares zu tun, oder mit dem "Wissen", das sich ältere Menschen über die Jahre hinweg angeeignet haben? Weise sei nicht - so der irische Schriftsteller George Bernard Shaw - wer über besonders viele Erfahrungen verfüge, sondern wer die Fähigkeit besitze, Erfahrungen zu machen. Wahrlich weise dieser Gedanke. Da kommt mir der Gedanke: Was bedeutet es, fähig zu etwas zu sein? Was erlaubt mir, etwas zu tun, oder es gerade nicht zu tun?

Fähigkeit wird in der antiken Philosophie in den Schulen von Aristoteles als Vermögen oder Potenz bezeichnet. Damit ist nichts anderes gemeint, als dass jemand oder etwas dazu in der Lage ist, in sich selbst oder in etwas anderem eine bestimmte Veränderung herbeizuführen. Da lautet meine Frage: Was befähigt mich, mich selbst in eine bestimmte, gewünschte Richtung zu verändern oder eine Situation überhaupt zu verändern? Ist es die Anzahl an Erfahrungen, die mich lehren, auf eine bestimmte Art und Weise etwas in meinem Leben zu bewirken oder mein Umfeld wunschgemäss zu beeinflussen?
"Der Geist sucht, und es ist das Herz, das findet", zitierte einst Georges Sand, die Lebensabschnittpartnerin von Frédéric Chopin. Wieso lasse ich dann weiterhin meinen unruhigen Geist nach dem suchen, was mich glücklich macht, wenn es doch mein Herz ist, das weiss, was gut für mich ist, und mich sowieso finden lässt? Nun, so einfach machen wir es uns nicht, dir als Lesender und mir als Schreibende. Gehen wir kurz auf Spurensuche.

Des Menschen Geist ist kognitiv veranlagt, will heissen: er ist fähig, ein Bewusstsein seiner eigenen Realität zu bilden, dies mithilfe von geistigen Tätigkeiten wie wahrnehmen, lernen, erinnern, vorstellen, phantasieren inklusive sämtlichen Formen des Denkens. Alles in allem also die bewusste Bildung einer Grundlage als Voraussetzung zu Reflexion und Erkenntnissen zu meinen tagtäglichen Erfahrungen. Und was macht nun das Herz als hauseigener Datenwächter und Emotionscoach? Es ist fähig, mir (noch) unbewusste Inhalte zu vermitteln und mir bei der Lösungssuche auf die Spur zu helfen. Finden muss ich es alleine, sonst wäre das Herz nur ein weiterer Berater, der alles besser weiss und bald seinen Job in meinem System los.

Das Herz gleicht einem Weisen, der mir nicht alles vorbröselt, sondern mich durch seine weise Botschaft erkennen lässt, was eigentlich Sache ist. Was mir gut tut und was nicht. Wo meine Möglichkeiten und meine Grenzen liegen, im physischen wie im psychischen. Denn es interagiert mit allen Beteiligten meines Systems, mit allen Elementen und Ebenen, und bildet hard wie soft skills. Fähigkeiten zu deutsch eben.
Zurück zur Aussage Shaws: Mein Herz hat die Fähigkeit, mich bewusst in neue Erfahrungen zu bringen, die mein Heute so verändern, dass ich mich im Morgen dort befinde, wo ich es mir insgeheim wünsche. Was es mit insgeheim auf sich hat, darüber erzähle ich dir, lieber Lesender, in einem nächsten Blog.