Von Bauklötzen und Türmchen

03.09.2017

Kein Tag vergeht, ohne dass man etwas in den Medien über die kommenden Veränderungen in unserer industriell geprägten Arbeitswelt aufgrund der Digitalisierung liest. Diese scheint gleich einer grossen dunklen Wolke unseren ohnehin schon bewölkten Arbeitshimmel immer wie mehr zu verdecken, doch eigentlich wollen wir doch einen Schönwetterhimmel und allzeit klare Sicht.

Was kommt, was bleibt, und was sich in der digitalen Welt weiter entwickelt.

WAS genau passieren wird, Tag für Tag, Woche für Woche und von Geschäftsjahr zu Geschäftsjahr, das wissen wir alle noch nicht. DIE Zukunft gibt es nicht, es gibt nur Absichten und Pläne, wie die Zukunft denn nun genau aussehen soll. Dies ist in etwa zu vergleichen mit einer agilen Methodik namens SCRUM. Der Auftraggeber sagt im Heute, was er will. Wie dieses "was" denn nun im Detail aussehen und beschaffen sein soll, dazu finden zu Beginn Interviews statt, die die Bedürfnisse und Anforderungen des Kunden einkreisen und auf einen Nenner bringen. Dieser Nenner wird in die Entwicklungsteams getragen, und diese wiederum produzieren in kleinst verdaubaren Zeithäppchen (sprints genannt) Stück um Stück dessen, was sich der Kunde vorstellt. Nach jedem Häppchen schaut das Team auf die Entwicklungsschritte zurück, tauscht Erfahrungen aus und teilt für den Produktionsfortschritt wesentliche Erkenntnisse. Auf unsere viel zitierte Zukunft adaptiert, bedeutet dies: Die Zukunft bildet sich aus einzelnen kleinen Schritten im Heute. Gestern war gestern und ist vorbei, da hilft nur noch die Retrospektive, und das Morgen bildet sich noch erst heraus. Aus dem, was wir heute erkennen und was uns als wichtig und richtig erscheint. 

WAS bleibt, ist also eine gewisse Unsicherheit, mit der wir auch weiterhin leben müssen und sollen. Eine Unsicherheit, die wir kultivieren können. Und zwar so, dass wir uns nur gerade auf das Hier und Jetzt konzentrieren, auf den unmittelbar nächsten Schritt, der zu tun ist. Wie ein Kind, dass sich in sein Spiel vertieft und sich völlig darin niederlässt. In dem Moment, wo es durch etwas für ihn wichtig Erscheinendes abgelenkt und in die Gemeinschaft zurückgeholt wird, kann es ohne weiteres alles liegen und stehen lassen und sich dem neuen Thema zuwenden. Ohne sein bisheriges Spiel vergessen zu haben, denn es weiss haargenau, wie die Bauklötze  und Türmchen, die es gebaut hat, platziert und beschaffen waren. Diese Eigenschaft des uns in ein Spiel Versenkens ist uns als Erwachsener meist abhanden gekommen; weil uns zum einen die Zeit fehlt - es erwarten uns noch hundert andere Bauklötze und Türmchen - und zum andern die Geduld oder Bereitschaft, uns auf EIN Etwas zu beschränken. Ausser, das eine Etwas begeistert uns und hat unser uneingeschränktes Interesse. Dieses Beispiel auf unseren Kundenauftrag angewandt zeigt auf, dass wir durchaus in der Lage wären, mit Unsicherheiten umzugehen. Nämlich so, dass wir die Sicherheit in dem, was wir gerade tun, finden und erleben. In modernen agilen Arbeitswelten dürfen Erwachsene also wieder mit Bauklötzen und Türmchen spielen, ohne dass sie aus ihrem Spiel herausgerissen werden. Und das jeweils während einem ganzen Sprint, der in der Regel 2 bis 3 Wochen dauert. Fühlt sich gut an, nicht wahr?


Und WAS entwickelt sich nun weiter?....

WAS sich konkret weiter entwickelt, liegt in unserer Hand. In unseren allen Händen.

Zugegeben, unsere Willens- und Schaffenskraft ist nicht unendlich, und unser individueller Einfluss auf das grössere Ganze nicht grenzenlos. Das überlassen wir Menschen mehr oder weniger gern höheren Mächten als irdischen. Doch es macht einen Unterschied, ob wir die Hände in den Schoss legen und darauf warten, bis die dunkle Wolke aus digitalen Bits und Bytes unseren Himmel vollends zugedeckt hat und wir im kalten Regen stehen. Oder ob wir aufstehen, die Hände in die Hüften stemmen und lauthals verkünden: Ich pack's an. Und zwar so, wie es mir gefällt. Und mit den gleichen Händen in die Tasten tippen und im weltweiten Netz nach Informationen suchen, die unseren Himmel aufhellen. Sind wir fündig geworden, gehen wir zur Chefin oder zum Chef und sagen: ich will mich als x oder in y weiterbilden. Weil wir denken, mit den neu gewonnenen Erkenntnissen für positive Erfahrungen im Betrieb und für uns selbst zu sorgen und zum Gemeinschaftserfolg beizutragen. Oder wir überlegen, was wir seit langem mal tun wollten, wonach es uns schon immer gelüstete. Und wir nie den Mut oder die zündende Idee dafür hatten. Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied, besagt ein altes Wort aus dem Volksmund, es besagt nichts anderes als: Bin ich bereit, etwas für mein eigenes Glück zu tun? Und was genau tue ich dafür, wie soll das aussehen, was brauche ich dazu, und soll ich diesen Weg alleine gehen oder zusammen mit Anderen?

Wir sind Schöpfer unserer Realität. Dies bedeutet nicht, dass wir uns ständig kritisieren sollten, wenn unsere Realität noch nicht unseren Vorstellungen entspricht. Sondern nur, dass wir die volle Verantwortung dafür übernehmen, ohne einen Schuldigen zu suchen.

© Manfred P. Zinkgraff

Bei allem Schöpfen ist nicht zu vergessen: Bauklötze und Türmchen können zusammenfallen und umstürzen. Vielleicht haben wir sie nur zu wenig stabil gebaut und den richtigen Weg, um unseren Bau zu vollenden, noch nicht gefunden. Wir sind nie sicher, ob es hinhaut. Wir können es nur versuchen. Sonst erfahren wir nie, ob wir es schaffen. Und dabei glücklich werden.